Reisebericht

Vom 25.08. bis zum 04.09.2014 waren Friedemann Ries, Hannes Händel und  ich zu Gast bei Choice for Life. Neben drei Meetings mit dem Team und vielen Besuchen bei Betroffenen hatten wir Gelegenheit die Menschen aus dem Projekt zu treffen. Unbestrittener Höhepunkt waren aber zwei Tage mit gut 80 Kindern aus Kakamega, Shimanyero und Kisa im Kisa Center. Zum ersten Mal hatten wir intensiven Kontakt zu den Kindern die wir unterstützen, von kurzen Treffen in der Vergangenheit abgesehen,  und das war für uns alle sehr ergreifend. Gemeinsam haben wir gespielt, gesungen, gemalt und gebastelt und in dem Center übernachtet. Beim Fußballspielen musste ich als Torhüter zweimal hinter mich greifen bevor der Regen einsetzte und unsere Niederlage besiegelte. Ein große Freude an diesem Wochenende war es auch Julia wieder zu sehen. 2005 war sie einer der Gründe sich für dieses Projekt einzusetzen. Wir lernten sie im Haus ihrer verstorbenen Eltern kennen, dort lebte sie mit 12 Jahren und ihren kleinen Brüdern, erledigte die Haus & Feldarbeit und ging zur Schule. Mittlerweile ist eine junge hübsche Frau, die für das zweite Jahr im College spart um ihre Ausbildung als Lehrerein abschließen zu können. Dieses Wochenende wird  uns noch lange in Erinnerung bleiben und schenkt uns viel Motivation um uns weiterhin für  CFL einzusetzen. Schließlich profitieren mittlerweile 150 Kinder von Choice for Life. Schulgebühren (unabhängig der Noten), Schuluniformen und Prüfungsgebühren werden bezahlt, ebenso das Schulessen, das für eine warme Mahlzeit sorgt. Hinzu kommen bei Bedarf Kleider & Nahrungsmittelhilfe sowie die Unterstützung der Pflegefamilien & Witwen.

Bedrückend waren einige Besuche in den armseligen Behausungen der Betroffenen. Da ist zum Beispiel Nancy, eine 35 jährige Mutter, deren Ehemann an Aids verstarb und die  daraufhin, ebenfalls HIV Positiv, von der Familie verstoßen wurde. Eine Lähmung, deren Ursache nicht geklärt ist, kam hinzu, und so begann der soziale Abstieg einer Geschäftsfrau aus geordneten Verhältnissen. Nun wohnt sie mit ihrem Sohn ein einer fensterlosen und kleinen Lehmhütte und hofft auf einen kleinen Kredit um einen Marktstand betreiben zu können. Oder das Haus von Salome, das zwar groß ist aber das Dach hat so viele Löcher das die Lichtstrahlen wie von einer Discokugel in das Dunkel des Hauses fallen. Sie ist achtzig Jahre alt, ihr Enkel Henry, der bei ihr wohnt ist im CFL Programm. Wenn es regnet, und das tut es oft in dieser Jahreszeit, suchen sie zum schlafen Schutz unter ihren Betten.

Aber auch Hoffnung durften wir immer wieder schöpfen. So wurden wir bei unserem ersten Besuch der Kakamega-Gruppe von einem strahlenden Gesicht empfangen.

Priscilla, die ich bei meiner Reise im März in einer entsetzlich kleinen und baufälligen Hütte besucht hatte, freute sich nun gemeinsam mit ihrem Sohn Victor über ein neues Haus. Hier können sie neue Heimat finden. Oder Sammy, Witwer und zweifacher Familienvater. Eine chronische Wunde lässt ihn nur an Krücken gehen. Choice for Life ermöglicht ihm nun ein Einkommen, indem er einen Kiosk betreiben kann. Hier bietet er Tee und warme Mahlzeiten für die Pendler, Bus- & Taxifahrer gibt, die an  dem kleinen Verschlag an der Strasse vorbeikommen. Man kann ihm ansehen wie stolz er ist. Von aussen armselig, und ehrlich gesagt hätte ich beim vorbeifahren diese Bretterbude keines Blickes gewürdigt. Doch in diesem Land ist sie Hoffnungsträger für eine Familie und gibt neue Würde und Zuversicht.

 

Auch Rebecca und Moses aus Shimanyero durfte ich im März schon kennen lernen, und seitdem denke ich immer wieder an sie. Kein Wunder also, das die erneute Begegnung mit ihnen für mich persönlich zu den emotionalsten Momenten dieser Reise zählte...

Rebecca, die Großmutter von zwei kleinen Mädchen lebt mit diesen in einer kleinen Lehmhütte. Im März war das Dach und die Wände löchrig, überall schien Licht hindurch. Wenn es regnet wurden die Mädchen krank, weil das Wasser in die Hütte lief und es keinen trockenen Ort mehr gab, durch die Ritzen pfiff der Wind, der zur Regenzeit erstaunlich kalt sein kann. Die Feuerstelle zum Kochen befand sich direkt neben den Matratzen. Seit dem konnte die Hütte repariert werden. Viele aus dem Dorf haben dabei geholfen.  Sie ist zwar nicht größer geworden, aber Regen und Winddicht ist sie nun und eine eigene Kochstelle ist auch entstanden. Rebecca war ihre Erleichterung anzusehen und die beiden kleinen Mädchen freuten sich über unseren Besuch. Auch Moses empfängt uns in seiner neuen Hütte. Der Boden und die Wände sind noch ganz feucht und weich, noch ist er mit seinen beiden Kindern nicht eingezogen. Der Lehm muss noch trocknen. Die kleine, windschiefe Hütte steht direkt daneben. Hier saß ich im März als mir Moses seine Wunde am Bein zeigte. Das war eine unheimlich bedrückende Situation. Die chronische Wunde bereitet auch heute noch Schmerzen, die Schmerzmittel helfen nicht wirklich, aber wenigstens  wird sie regelmäßig gesäubert und neu verbunden. Er lebt seit seiner Kindheit damit. Und doch -  etwas ist anders heute. Die Familie ist fröhlich, Nachbarn kommen vorbei um uns mit uns über das neue Haus zu freuen, sie singen und klatschen. Heute ist ein guter Tag. Später sehen wir Bilder vom Hausbau, alle Nachbarn waren dabei um zu helfen.

Die Witwengruppe in Kisa ist seit jeher die Keimzelle des Projektes in Kisa, auch hier haben wir einige Frauen besucht, so auch Lona, die Chairlady der Gruppe. Mit Begeisterung erzählte sie uns von „Mary go arround“, das die Gruppe praktiziert. Die Frauen legen dabei kleine Geldbeträge zusammen, Choice for Life stockt diesen Betrag auf und eine der Frauen bekommt das Geld für ein Mikroprojekt oder dringende Anschaffungen. Beim nächsten Mal profitiert eine andere Frau davon. Ein deutliches Signal der Solidarität untereinander.

In Kisa steht der Stolz des Projektes - unser Zentrum. Hier ist nun das Büro von Celina, der Sozialarbeiterin, sowie die "Hall" - ein großer Raum für Veranstaltungen, Gruppentreffen, Seminare... Auf drei Räume verteilt ist der Kindergarten mit rund 40 Kindern und drei Erzieherinnen. Es gibt eine Küche samt Köchin für das Mitagessen und einen Wachmann und neu ist ein großer Wassertank der das Regenwasser vom dach auffängt. in und um das center herum ist immer was los, und es ist schön zu sehen wie es mit leben gefüllt ist. Leider hat  der Kindergarten uns auch Kopfzerbrechen bereitet, denn faktisch wird er kaum von Waisenkindern genutzt, sondern von Kindern aus dem Dorf, die dafür eine Gebühr bezahlen. Zwar trägt sich der Kindergarten dadurch selber, doch  entsteht hier ein Interessenskonflikt zwischen dem Projektziel und den Bedürfnissen der Dorfbewohner. Laban, Choice for Life - Coordinator in Kisa gab uns die Zusage, die Zahl der Waisenkinder im Kindergarten bis zum Frühjahr deutlich auf ein Drittel zu erhöhen, wir werden die Entwicklung im Auge behalten. Sehr erfreut war ich aber über die offene und wertschätzende Art wie wir gemeinsam über dieses Problem sprechen konnten. Das ist der faire Umgang  miteinander, den wir uns auf die Fahne geschrieben haben.

In drei langen Meetings haben wir mit dem Team über Erfolge, Herausforderungen, Möglichkeiten und strittige Fragen diskutiert. Zunächst lässt sich erstmal sagen, Choice for Life hat sich dank der Spenden und der engagierten Arbeit des Teams vor Ort immer weiter entwickelt und darauf können alle Beteiligten stolz sein. Auch die neue Projektmanagerin Esther Sungu ist ein Glücksgriff. Sie weiß Befindlichkeiten zu erkennen und ernst zu nehmen anstatt sie gegeneinander auszuspielen. Dadurch entsteht ein ganz neues Gemeinschaftsgefühl, wie es auch bei dem gemeinsamen Kinderwochenende zu erkennen war. Und sie hat den strategischen Weitblick um das Projekt in die Zukunft zu führen, vorausgesetzt die Gelder bleiben nicht aus.

Mit dem Sozialarbeiter Idah Albert hat das Team um Wilhelmina und Joan in Shimayero eine tolle Unterstützung bekommen und auch in Kakamega soll es künftig einen Sozialarbeiter und ein Büro geben. Damit können die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen an jedem Standort auf einen Sozialarbeiter und einen festen Raum als Treffpunkt und Schulungsort zurückgreifen. So ist eine professionelle Struktur geschaffen, die es den  überlasteten Ehrenamtlichen erleichtert sich auf die Arbeit mit den Kindern und Familien zu konzentrieren und gleichzeitig Spielraum für Wachstum bietet.

Herausforderungen an das Projekt gibt es viele. Zum Beispiel schließen dieses Jahr viele Jugendliche die Secondaryschool ab, ohne recht zu wissen wie es weiter gehen kann, ohne Ausbildung oder Studium.  Aber auch die Wittwen und Pflegeeltern suchen dringend nach eigenem Einkommen. Es gibt zwar immer wieder Mikroprojekte die Unterstützt werden, aber deren Erfolg hängt immer von der Leistungsfähigkeit einzelner ab. Hannes Händel wird sich in seinem Jahr gemeinsam mit dem Team Gedanken darüber machen und Trainingskurse anbieten und an einer Konzeption einer Sozialfirma arbeiten.

Nun bleibt eigentlich nur noch Aurelia, Esther, Laban, Josephine, Selina, Wilhelmina, Joan, Ida und Marianne danke zu sagen, für die Zeit die sie sich für uns Zeit genommen zu haben um uns alles zu zeigen, und die tolle und wertvolle Arbeit die sie leisten. Ganz besonders aber auch Wilhelmina, die uns immer wieder in ihrem Haus aufnimmt und uns einen Rückzugsort bietet, durch den diese Reisen eigentlich erst möglich werden. danke natürlich auch an die Joy und die Mädchen in der Küche, die dafür gesorgt haben, das wir die kenianische Küche lieben gelernt haben.

Asante Sana

Das gesamte Besuchsprogramm im Überblick hat Esther für uns protokolliert:

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CHOICE FOR LIFE KENYA - FAIR AID GROUP A
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Kommentare: 3
  • #1

    Kathrin Winter (Samstag, 27 September 2014 15:01)

    Lieber Jörg, Lieber Friedemann,
    euer Bericht berührt mich sehr. Danke für diese Zeilen. Liebe Grüße Kathrin

  • #2

    Friedemann Ries (Mittwoch, 01 Oktober 2014 17:48)

    Nach 2005 und 2008 durfte ich Jörg Mauch dieses Jahr zusammen mit Hannes Händel nach Kenia begleiten und möchte an dieser Stelle berichten.

    Unser persönlicher Kontakt zu den Choice for Life Aktivisten wird in unserem Fair-Aid-Faltblatt zu Recht betont. Er gibt unserem Projekt einen familiären Charakter und bürgt für Zuverlässigkeit bei den Finanzen. Die neue Projektmanagerin Esther Sungu macht einen sehr professionellen Eindruck, der ganz am Anfang unseres Aufenthalts durch eine klar strukturierte und informative Präsentation beim ersten gemeinsamen Meeting in Kakamega entstand und der sich im Laufe der Tage immer mehr bestätigte. Sie weiß die Interessen der Standorte auszubalancieren und sieht auch aufgrund ihrer Berufserfahrung neue Horizonte für Choice for Life.

    Auf zwei Neuigkeiten aus Jörg Mauchs Bericht möchte ich noch einmal eingehen, zeigen sie doch, wie viel bei Choice for Life in der letzten Zeit geschehen ist.
    1. Die Zahl der unterstützten Waisenkinder ist auf 142 angestiegen. Hinter dieser Zahl verbirgt sich viel Fürsorge und, wenn es um Schule geht, auch viel administrative Zuständigkeit. Marianne in Kakamega beeindruckte durch ihr herausragendes Engagement, da sie ihr (großes?) Drittel dieser Kinder und Jugendlichen ohne die Unterstützung eines Sozialarbeiters betreut. In Kakamega ist Choice for Life noch am ursprünglichsten. Hier wird das Schulgeld für die Waisenkinder bezahlt, ohne dass dabei weitere Unkosten entstehen. Die Kinder haben in Marianne eine Bezugsperson, die sich als Lehrerin außerdem in Schulfragen gut auskennt. Wie schon 2005 und 2008 scheint ihr winziges Reihenhaus auch die Anlaufstelle für viele Waisen zu sein, die ja auf verschiedenen Schulen sind. Immer wenn wir bei ihr waren, war es so voll, dass die Kinder stehen mussten, da sonst nicht genug Platz für alle gewesen wäre.
    2. Der Sozialarbeiter Idah Albert, der selbst aus Shimanyiro stammt, suchte sehr häufig das persönliche Gespräch mit uns und hielt den Kontakt auch während unserer anschließenden Rundreise durch Westkenia. Wie gut er im Dorf vernetzt ist, konnte ich erleben, als ich ihn in die Secondary School begleitete, wo er die dritte und letzte Rate der Schulgebühren für das Jahr 2014 bezahlte. Er liebt seine Heimat, auch wenn er seine College-Ausbildung außerhalb (in Eldoret?) absolvierte. Die Landflucht hat ihn nicht erfasst und von daher ist er ein Überzeugungstäter, wenn es darum geht, in Shimanyiro Strukturen zu entwickeln. Die haben in dem gemieteten Büro am Ortseingang einen Anfang genommen, dort ist er anzutreffen und dort unterrichtet Wilhelmina einzelne Waisen beim Schneidern. Es sieht alles danach aus, dass er sich sehr gut in die durch Wilhelminas Engagement entstandene „Choose Life“-Ortsgruppe einpasst und ihr eine organisatorische Basis gibt. Da er in Shimanyiro zu Hause ist, kennt er die (für uns Deutsche beinahe unfassbare) Not hinter den Türen einzelner Hütten.

    Genauso wie über das Wiedersehen mit der angehenden Lehrerin Juliet, die wir 2005 als 12jährige bei unserem ersten Besuch vom Maisfeld geholt haben, habe ich mich über Ruth gefreut. Sie dürfte gleichen Alters sein und wurde in ihrer Schulzeit von Choice for Life unterstützt. Inzwischen arbeitet sie als Angestellte in einer kleinen Schneiderei, die sich direkt am Markt von Kakamega befindet. Sie hat mir aus afrikanischen Stoffen ein Hemd genäht – den Label würde ich „fruit of the CfLoom“ nennen – das ich an dem Wochenendtreffen mit den 80 Waisenkindern in Kisa angezogen habe. Die Früchte der inzwischen bald zehnjährigen Arbeit von Choose Life konnte ich beim gemeinsamen Übernachten in dem Choice-for-Life-Schulhaus hautnah spüren, weil mit anbrechender Dunkelheit die sonst so ausgeprägte Unterwürfigkeit oder Scheu der Jugendlichen deutlich abnahm. Sie hatten so viele Fragen zu Schule, Ausbildung, Beruf und zu unserem Leben in Deutschland und kamen uns ein großes Stück näher. Vom Sponsor zum Mentor zu werden, wenigstens für einen Abend, war ein großes Geschenk für uns drei Musungus.

  • #3

    sarah haendel (Dienstag, 14 Oktober 2014 12:02)

    Lieber Joerg, lieber Friedemann!

    Danke fuer den schoenen und wirklich sehr beruehrenden Bericht. Ich bin sehr beeindruckt wie viele gute Entwicklungen ihr gemeinsam mit den Menschen vor Ort angestossen habt. Ich freue mich jetzt schon sehr, dass ich an Weihnachten auch die Chance haben werde Kenia und seine Menschen kennen zulernen. Es ist wirklich toll, was ihr jetzt schon ueber so viele Jahre zusammen mit Baerbel und noch einige anderen beigetragen habt !!! LG Sarah